Redebeitrag von WDR Dresden zur TakeBackTheNight-Demo am 30.04.2022 in Dresden

Auch wir folgen der feministischen Tradition und sind heute – zur Walpurgisnacht – auf der Straße. Wir nutzen diese besondere Nacht nicht nur, um uns gegen die antifeministischen Angriffe zu verteidigen, sondern um selbst in die Offensive zu gehen. Wir sind emotional und wir sind wütend, aber vor allem sind wir zusammen und verbunden in unserem Kampf, und so holen wir uns die Straßen und die Nächte und alles, was uns das Patriarchat Tag für Tag nimmt, entschlossen zurück.

Wir stehen heute auch hier für alle Frauen und Menschen anderer unterdrückter Geschlechter, die in der Geschichte vom Patriarchat getötet wurden. Heute ist Walpurgisnacht. Erinnern wir an all die Menschen, die durch den sogenannten Hexenhammer starben – erinnern und kämpfen wir weiter für all die Menschen, die verbrannt wurden.

Es ist uns wichtig an dieser Stelle die kolonialen Kontinuitäten aufzuzeigen. Die Hexenverfolgung in Europa diente der Unterdrückung der damaligen Lebensweise der Menschen und wurde Mittel gegen den sich regenden Widerstand gegen das Aufkommen der patriarchalen und kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die europäischen Kolonisator*innen nutzten die Hexenverfolgung als Mittel zur Auslöschung der indigenen Lebensweise in den kolonialisierten Regionen, der Niederschlagung des Widerstandes und Etablierung der westlichen Herrschaft. Der europäische Kolonialismus und die christliche Missionierung sind verantwortlich für Genozide, Verschleppung und Versklavung, Vertreibung, kulturelle Auslöschung und somit auch eine gigantische Vernichtung indigenen Wissens.

Es ist daher kein Zufall, dass die sogenannten Hexen, meist Menschen mit besonderen medizinischen Wissen und Fähigkeiten wie beispielsweise Hebammen waren. Wissende Frauen sind eine Gefahr für das Patriarchat. Holen wir uns das Wissen unserer Geschwister zurück, führen wir ihren Kampf gegen die Unterdrückung in aller Entschlossenheit weiter!

Denn auch heute noch wird versucht, dieses Wissen und die Menschen, die es in sich tragen, zu unterdrücken. Doch dagegen regt sich überall auf der Welt Widerstand. Von Mexiko, wo Feminist:innen immer wieder Häuser und ganze Straßenzüge besetzen, um sicherere Räume zu schaffen bis nach Polen, wo mutige Feminist:innen gegen das Abtreibungsverbot auf die Straße gehen. Von Afghanistan bis nach Texas! Von der Türkei, wo sich immer mehr Menschen gegen die antifeministische Regierung stellen bis nach Indien, wo sich Feminist:innen Zutritt zu Tempeln erkämpfen. Von hier bis in die freien Berge Kurdistans!

Lassen wir uns von all den mutigen Kompliz:innen inspirieren. Zeigen wir unsere Solidarität und tragen wir auch hier unsere Wut gegen das patriarchale System auf die Straße!

Stehen wir zusammen gegen Angriffe aller Art!

Wir sind die Kinder der Hexen, die ihr nicht verbrennen konntet!

Jin! Jiyan! Azadî!

Bildquelle: Protestfotografie Dresden – Twitter: @ProtestFotoDD